Die Comedyformate jauchzen auf: Eigentlich glaubte man hier, nach Clintons Sexskandalen und Bushs dümmlichen Versprechern gäbe es keine Steigerung mehr. Doch der gegenwärtige Wahlkampf liefert dank Sarah Palin reichlich Stoff für Witze, und die Einschaltquoten steigen in schwindelerregende Höhen. Die Götter haben uns zugelächelt, freute sich Lorne Michaels, der Produzent von Saturday Night Live. Und Doug Herzog, als Chef des MTV-Konzerns auch Herr über Comedy Central, beschrieb die derzeitigen Zuschauerzahlen als eine Art Olympische Spiele in der Unterhaltungsbranche. David Letterman hat sogar seinen Produktionsplan umgestellt. Neben Palin bieten fast alle Kandidaten den Possenreißern Breitseiten – und können mal mehr, mal weniger von ihrer Popularität profitieren. Beobachtungen von Pascal Fischer

Was für ein Segen für die Comedybranche: Da wird Sarah Palin als Vizekandidatin der Republikaner nominiert, und zufällig sieht sie aus wie eine mehrfach ausgezeichnete Ulknudel – Tina Fey. von NBC.

Selbst ihr Kind habe gerufen: Mummy, Du bist im Fernsehen, als Palin auf dem Republikaner-Parteitag auftrat, erzählte Tina Fey vergangene Woche bei David Letterman auf CBS.  Noch immer eine aktuelle Geschichte, so sehr jubelt die Branche über Palin als Kanonenfutter. Tina Fey doubelt die Aufsteigerin aus Alaska und nimmt einfach alles aufs Korn: Da war Palins Gestotter, ihre unstrukturierten Bandwurmsätze in einem TV-Interview…

Parodie: „I mean from Alaska, you can see Russia…“

Tina Fey rezitierte das fast Wort für Wort, so sehr eignete sich das als Sketch. Nicht zu vergessen Palins Alaska-Dialekt, ihr ständiges „verdammt richtig“, „Wolln wir wetten?!“.

Tina Fey: „You betcha, darn right it is!“

Lächerlich bodenständig zwinkert Tina Fey dem Fernsehzuschauer zu, eben wie Sarah Palin. Die Fernseh-Debatte zwischen Palin und Biden sahen 70 Millionen Amerikaner, gut für die NBC-Show Saturday Night Live:

Biden-Parodie: „McCain has voted for Bush 90% of the time. Let me say this again: time.“

Unglaubliche elf Minuten lang spielten die Doubles die Debatte nach, ansonsten eine Überlänge für Sketche. Das Biden-Double wiederholte sich ständig, das Palin-Double beantwortete keinerlei Fragen und grüßte Grundschulkinder – alles Verweise auf die echte Debatte. Man könne viel voraussetzen, und viel parodieren, erklärte Seth Meyers, erster Gagschreiber von Satuday Night Live. Mit Erfolg: Die Zuschauerzahlen steigen um 50 Prozent.

ATMO TV

Donnerstags läuft eine Extraausgabe. Millionenfach werden die Clips heruntergeladen, das Internet generiert zum Teil höhere Zuschauerzahlen als das Fernsehen. Bei NBC erwägt man schon eine eigene Internetplattform für die Show.
Es gibt einfach viel zu viel Stoff zum Lachen: Ein US-Wahlkampf hat per se schon ein höheres Witzpotential als jeder deutsche Wahlkampf. In den USA, die sich als Musterland der Demokratie sehen, läuft es bei gerade einmal zwei nennenswerten Parteien immer auf den einen ultimativen Zweikampf hinaus. Die Daily Show auf Comedy Central etwa spitzte das als Versteigerung zu.

Wer biete mehr Steuersenkungen, fragte Moderator Jon Stewart brüllend vor Lachen und schlug ständig mit einem Auktionshämmerchen auf sein Pult. Beide, Obama und McCain, beeindruckten ihn mit ihren unmöglichen Plänen, prustete Stewart am Ende

Der lachende Dritte ist in einer solchen Konstellation immer der Possenreißer. Denn gleichzeitig mit den Politikern lassen sich auch noch TV-Formate verulken. So ist es in den USA üblich, tagelang Schnipsel der Duelle zu zeigen. Stirnrunzelnde, staatsmännische Experten analysieren dann gar einzelne Sätze und Gesten. Eine Steilvorlage für die Dailyshow, eben eine Comedysendung in Nachrichten-Verkleidung. Seriöse Formate überprüfen Behauptungen fast in Echtzeit…

McCain: „I will get Osama bin Laden. I will do it, my friends…“

…die daily show zeigt die nackte Dümmlichkeit mancher Äußerungen: McCain sagt ständig, er werde BinLaden fangen – nur wann erzählt er uns, wie, möchte man fragen?! Für einen Lacher reicht schon der skeptische Blick des Moderators.

Damit  hat die Daily Show schon im September die besten Quoten ihrer Geschichte erreicht, mit über zwei Millionen Zuschauern im Durchschnitt. Sketch-Shows und Fake-News profitierten in den letzten Wochen. Comedy-Talkshows wie David Letterman und Jay Leno blieben dahinter zurück. Vielleicht, weil sie die Interview-Strecken mit Stars und Sternchen-Interviews verschenkten. Also wurde umgesteuert: Leno lud letzte Woche Joe Biden ein. Letterman ließ John McCain auftreten, und erreichte prompt eine einsame Rekordquote.

Letterman: „What happened?“
McCain: „I screwed up!“

McCain musste am Donnerstag erklären, warum er seinen letzten Auftritt bei Letterman angeblich wegen eines dringenden Washington-Termins abgesagt hatte – und dann plötzlich auf einem anderen Kanal zu sehen war. Minutenlang ließ Letterman nicht locker.

McCain: „I SCREWED UP!!! What can I say…“

Zur Erheiterung des Publikums schwitzte der überrumpelte McCain, wiederholte seine Entschuldigungen, und musste dann plötzlich unlustige Fragen beantworten: zu seinem eigenen, Letterman zufolge verleumderischen Wahlkampf und dem schlechten Image von Sarah Palin. Solche Ereignisse sind ein Lehrstück dafür, dass Politiker den Gesetzen des Showgeschäfts folgen müssen, und nicht umgekehrt. Joe Biden, offenbar erfahrener, spielte mit: Er sollte die Jay Leno Show ansagen…

Biden: „Welcome to Saturday Night Live!“

…und brachte natürlich alles durcheinander – im Scherz. Eine Selbstironie, zu der Palin in der vergangenen Sendung Saturday Night Live nicht fähig schien:

Palin: „I don’t think it properly represents the style of my press conferences.“ 

Ihr Double agiere nicht realistisch, meinte sie, als würde das jemand bei einer Parodie allen Ernstes erwarten.

Und Barack Obama? Zwar werden die Debatten genüßlich komödiantisch ausgeweidet, aber als Person verulkt man ihn allenfalls als Messias. Vielleicht, weil die traditionell eher liberale New Yorker Entertainment-Branche lieber die Konservativen verhohnepipelt. Vielleicht taugt Obama auch – neben Palin, McCain und Biden – am wenigsten zur Witzfigur.

(für Corso im Deutschlandfunk)