Die Politik und die arabische Community aufs Korn nehmen, das ist seit 2003 das Ziel des New York Arab American Comedy Festival. Vor allem aber: Den Mitbürgern zu zeigen, dass arabisch-stämmige Landsleute auch Humor haben. Hat Bushs Abgang ihre Lage verbessert? Ein Feature über die Stimmung unter den arabisch-amerikanischen Komikern.
Diese Woche findet das Festival nun schon zum 6. Mal statt, Publikum und Künstlerschar wachsen unaufhörlich. „Yes, Arabs can“ verkündet das Festivalplakat. Es zeigt im Stile eines Obama-Wahlplakats ein blau-rotes grinsendes Kamel.
Viele Comedians haben mittlerweile Karriere gemacht, manche sogar im Fernsehen oder Hollywood, und der Nachwuchs wird in immer härteren Wettbewerben rekrutiert:

Vergangene Woche in einem Hochhaus nahe der Wallstreet: ein kleiner Saal mit Parkettboden. Neun junge arabische Leute stehen nacheinander auf der Bühne, um ihr Publikum mit ihrem speziellen Witz zu unterhalten. Baha Khalil verulkt arabische Hochzeiten:

„Da sind immer diese alten Frauen, die komisch tanzen und singen. Meine Oma ist so eine. Die hört sich immer an wie die Alarmanlage von meinem alten Nissan…“

Es ist die erste Veranstaltung des diesjährigen New York Arab American Comedy Festival, und soeben hat Baha Khalil den Nachwuchspreis gewonnen: einen Auftritt im Hauptprogramm des Festivals. Waleed Zuaiter, 38 Jahre alt, kurzgeschnittenes Haar, ist der Organisator des Festivals.

„Wir sehen mehr Talent. Der Wettbewerb wird härter, und wir werden strenger. Auch den professionellen Komikern im Hauptprogramm sagen wir: Ihr könnt nicht einfach nur Euer Standardrepertoire abspulen, sondern Ihr müsst neue Witze bringen. Das sind wir dem Publikum schuldig!“

Anfangs standen 2003 eher kleine, zum Teil dramatische Theaterstücke auf dem Programm. Es gab schlichtweg kaum komische Texte oder Stand-Up-Comedians, erzählt Waleed Zuaiter.

„Im ersten Jahr wollten wir einfach nur soviel Auftritte wie möglich unterbringen. Die meisten Künstler kamen ja eher vom Theater. Früher gab es hier und da einen Lacher, heute fast nach jedem Satz! Die Zuschauer wurden lockerer, und das sagt ja auch etwas aus über uns und unsere Kultur!“

– „Ich bin 33 Jahre alt und Single. Für New Yorker ist das hip. Für Araber bin ich quasi 67 Jahre alt. Meine Mutter wollte mich neulich schon beerdigen…“

Unter den arabisch-amerikanischen Komikern ist Maysoon Zayid ein Star. Die 33jährige trägt ihre langen, schwarzen Haare offen und scheut auf der Bühne weder Kraftausdrücke, noch typische arabische Tabuthemen: Die Rolle der Frauen, die harte Hand der arabischen Mutter, der traditionell eingestellte Vater.

„Ich bin Jungfrau. Das ist eine bewusste Entscheidung. Diese Entscheidung hat mein Vater getroffen…“

Solche Witze locken insbesondere arabisch-stämmige Gäste auf das Festival. Im Fernsehen oder im Kino finden sie ihr kulturelles Erbe kaum oder gar nicht wiedergespiegelt, erzählt Waleed Zuaiter.

„Das haben uns Leute aus dem Publikum immer wieder gesagt. Einige sind zwei oder drei Stunden gefahren, nur um uns zu sehen. Auf dem Festival haben sie sich an ihre Heimat erinnert oder daran, wie sie aufgewachsen sind.“

Ihre Mutter sehe aus wie Julia Roberts, ihr Vater wie Saddam Hussein, scherzte Maysoon Zayid früher oft – und traf den Nagel auf den Kopf. Viele arabischstämmige Amerikaner ständen zwischen zwei Kulturen, sagt Dean Obeidallah, der Hauptorganisator des Festivals. Einst Anwalt im braven Anzug, schwenkte er auf Humor um und steht nun in T-Shirt, Bluejeans und Sneakern auf der Bühne, ständig ein ironisches Lächeln auf den Lippen.

„There were two ethnicities where I grew up: Italians and my dad!“

Auch Obeidallah macht Witze über seine Kindheit in New Jersey. Persönliches ist im Comedy-Gewerbe meist witziger als politisches Kabarett. In New Jersey habe es zwei Ethnien gegeben, Italiener und eben seinen palästinensischen Vater. Palästina hätten die anderen Kinder für  einen südlichen Teil von New Jersey gehalten, legt Obeidallah gerne nach. Eigentlich ist das kein Witz über Araber, sondern eine Veräppelung der Provinz. Und das versteht jeder Amerikaner. Längst visieren die arabischstämmigen Komiker das Mainstream-Publikum an.

„Wir wollen, dass auch Nicht-Araber auf unser Festival kommen. Unser Ziel ist doch, unsere lustige und spielerische Seite zu zeigen. Wenn da nur arabischstämmige Leute im Publikum säßen, wäre das schade. Wir wollen, dass die Leute zusammenkommen und zusammen lachen. Und das Publikum wird tatsächlich immer bunter. Damals am Anfang waren es fast nur Araber. Nun sitzen da vielleicht ein Drittel Weiße, Schwarze oder Asiaten!“

Eigentlich sollte das selbstverständlich sein. Längst gehört es zum Standard im amerikanischen Geschäft, dass ein Comedian vor gemischtem Publikum die Klischees über seine eigene ethnische oder kulturelle Herkunft gnadenlos durch den Kakao zieht. Je mehr Tabubruch, desto besser. Da geben Schwarze den Drogendealer, Asiaten den grinsenden Hundeesser und Juden den geldgierigen Banker.

„Die Leute haben Angst vor uns, weil sie nicht wissen, wer wir sind. Die Medien bringen ja  ausschließlich zwei Geschichten über uns: Die schlechte, in der wir militante Terroristen sind, und die gute, in der wir nur vermutlich militante Terroristen sind.“

Dean Obeidallahs Witze haben einen großen Vorteil gegenüber den Pointen der schwarzen, jüdischen oder asiatischen Komiker: Jeder im Publikum hat einen persönlichen Draht zu diesen Themen, sei es als diskriminierter Araber, sei es als paranoider Weißer, der über seine eigenen Vorurteile lacht. Alle amüsieren sich. Und das Festival ist gewachsen. Am Anfang kamen höchstens 400 Zuschauer, im vergangenen Jahr waren es schon 1700 Gäste, erzählt Waleed Zuaiter.

„Wir haben nach Komikern geschaut, und die Komiker kommen auch auf uns zu. Sogar ein Australier hat sich mal gemeldet. Die finden uns über Facebook und Youtube. Wir sind jetzt das größte und älteste arabische Comedyfestival in den USA, ja sogar in der Welt.“

Viele arabisch-amerikanische Kleinkünstler haben davon profitiert. Die kleine Gemeinde ist zusammen in der Unterhaltungsindustrie aufgestiegen. Dean hat einen Abend für den Fernsehkanal Comedy Central produziert; die Sender richten kleinere Sendeplätze für arabische Komiker ein. Waleed Zuaiter spielte schon an der Seite von George Clooney; der Film über US-Soldaten mit übersinnlichen Fähigkeiten kommt im Dezember in die US-Kinos. Das war nicht selbstverständlich. Vor fünf bis zehn Jahren ließ man arabische Rollen in Hollywood gar nicht von arabischen Amerikanern spielen, sondern von Persern oder Indern. Maysoon Zayid hat den Gesinnungswandel am eigenen Leibe miterlebt:

„Ich bin eine klassisch ausgebildete Schauspielerin. Als Tochter von palästinensischen Einwanderern war ich erst einmal zur Arbeitslosigkeit verdammt. Also habe ich mit Stand-Up-Comedy begonnen. Gott sei Dank hat das geklappt! Mittlerweile habe ich einen Film mit Adam Sandler gedreht. Er kommt in eineinhalb Jahren ins Kino.“

Dean Obeidallah ist sogar schon von CNN interviewt worden: Als Experte für die arabische Kultur sollte er da vor einigen Monaten erklären, warum ein irakischer Journalist ausgerechnet einen Schuh nach George W. Bush geworfen hatte.

„Wenn man jemandem in der arabischen Kultur die Fußsohle zuwendet, ist das schon eine Beleidigung… Aber mal ehrlich: Ist es irgendwo ein Kompliment, jemanden mit Schuhen zu bewerfen?!“

So sehr Dean Obeidallah als amerikanischer Staatsbürger Bushs Abgang bejubelt hat – so sehr bedauert er ihn als Komiker.

„Man konnte Bush ja schon allein wegen seines schlechten Englisch verulken. Er sagte zum Beispiel nicht Al-Kaida, sondern El-Ka-i-da – als sei das ein mexikanisches Restaurant! Oh, die Bush-Zeit… Da war alles so einfach!“

Mit diesem „großen Kummer“ ist Dean Obeidallah nicht allein. Barack Obama ist einfach zu nett. Schon im Präsidentschaftswahlkampf hatten es etwa John Stewart oder Stephen Colbert auf Comedy Central schwer mit ihm, sie verulkten ihn als Messias, mehr fiel ihnen zu ihrem offensichtlichen Wunschkandidaten nicht ein.

Obama habe das Land freier gemacht, man sei nicht mehr so stigmatisiert, beschreibt Maysoon Zayid die Stimmung unter den arabischstämmigen Amerikanern. Wie aber lässt sich der US-Präsident dann noch verulken? Dean Obeidallah hat langsam begonnen, ein Obama-Gag-Repertoire aufzubauen.

„Wenn die Leute über Obama meckern, kann er doch einfach sagen: ‚Erinnert Ihr Euch an Bush? Soll ich den etwa zurückholen?!‘ Ich schätze, wir werden ein paar mehr Witze über Schwarze und Weiße machen und eher eine leichte Kritik an ihm üben. Zum Beispiel: Die Regierung will Terroranschläge ja jetzt ‚menschengemachte Katastrophen‘ nennen. Wie bitte? Eine ‚menschengemachte Katastrophe’… so ein Begriff trifft wohl kaum auf den elften September zu. Wohl eher auf Kevin-Costner-Filme!“

Im Ausland dagegen haben Dean Obeidallah und Maysoon Zayid noch weniger Probleme, Pointen zu setzen. Mittlerweile touren sie oft durch den Nahen Osten, erzählt Maysoon Zayid.

„Im Nahen Osten sind wir geradezu Rockstars. Wenn Du hier in den USA 500 Zuschauer hast, ist das schon toll. Aber dort kommen 5000 Gäste zu unseren Shows!“

In den vergangenen zwei Jahren ist die Comedyszene dort geradezu explodiert – wenn das Wort hier angebracht ist. Über Youtube lernten Ägypter, Jordanier, Libanesen und Palästinenser die Stand-Up-Comedy kennen: eine Unterhaltungsform, die eigentlich keinerlei Tradition in der Region hat.

„Meine amerikanischen Bekannten sagen dann immer: Cool, ich wusste nicht, dass die Comedy haben da drüben. Aber hast Du keine Angst, gekidnappt oder geköpft zu werden?! Naja, sowas fragen die halt. Ich wusste ja auch nicht, ob mich die Zuschauer im Nahen Osten als Outsider ansehen würden. Das haben sie nicht getan. Sie behandelten mich wie einen Einheimischen – das war klasse.“Und sie sahen vor allem einen guten Comedian in ihm.

Dean hat ein Comedy-Festival in Amman mitaufgebaut; im Oman hat man ihn um Rat gefragt, wie man das größte Witzfest im Nahen Osten stemmen könnte. Für Dean Obeidallah wäre es ein Traum, wenn die Bilder aus den Sälen voller lachender Araber in alle Welt gingen.

„Das sieht man im amerikanischen Fernsehen nie. Da kommen keine lachenden Araber vor. Naja, allenfalls dämonisch lachende Araber, die gerade Terroristenpläne aushecken…. Vielleicht ist das meine Mission: Erst bringe ich den Amerikanern bei, dass die Araber in den USA okay sind, dann vermittle ich ihnen, dass die Araber im Nahen Osten okay sind.“

Zuhause bleibt also noch Einiges zu tun, auch mit einem Präsidenten Obama, schließt Maysoon Zayid. Sie werde auch in Zukunft Übertreibungen in ihren Witzen vermeiden – das verwirre nur, wo Araber doch ohnehin schon verzerrt genug dargestellt würden.

„Wir sind immer noch eine diskriminierte Bevölkerungsgruppe. Also werden wir uns auf dem Festival darum bemühen, uns von unserer besten Seite zu zeigen. So oft bin ich für Amerikaner immer noch die erste Araberin, die sie auf der Bühne sehen. Die kommen dann zu mir und fragen: Warum bedeckst Du Dein Haar nicht? Wird jemand Dich töten? Gibt es eine Fatwa auf Deinen Kopf? Und ich sage einfach: Das ist okay. Die meisten Araber sind eher gemäßigt!“

Für Neugier genügt in WDR5.