Was zeichnet diese unsere deutsche Kultur heute genau aus, darf man sie lieben jenseits des Rechtsextremismus, und wenn ja, wie genau? Das fragt konsequent das Buch „Deutsch, nicht dumpf“ von Thea Dorn.

Sie ist eine umtriebige und diskussionsfreudige Kulturschaffende, die sich gerne einmischt. Die 1970 Geborene moderiert Literatursendungen im Fernsehen, schreibt Romane, Theaterstücke, Essays und Sachbücher. Unter anderem hat sie 2011 zusammen mit dem Autor Richard Wagner „Die deutsche Seele“ veröffentlicht, eine Kulturgeschichte des Deutschen inklusive „Abendbrot“, „Kitsch“, „Kirchensteuer“, „Winnetou“ und „Reformation“. Und nun trifft Dorns neuestes Buch den Nerv der Zeit.

Man konnte es bei Ausrufung des Heimatministeriums wieder beobachten: Einige bejubeln einen trivialen Heimatbegriff, andere halten schon den Begriff „Heimat“ für gefährlich rückwärtsgewandt. Bei Thea Dorn heißen diese Gruppen Krawallmacher und Konsensverwalter, Hyper-Deutsche und Missions-Apostel. Denn gewohnt scharfzüngig und espritreich schlägt die Autorin eine Bresche für den Patriotismus – zwischen diesen extremen Lagern.

Vor allem solle sich Deutschland als stolze Kulturnation begreifen und gleichzeitig seine zahlreichen Widersprüche zwischen Arbeitswut und Gemütlichkeit als Fortschrittsmotor begreifen, lauten ihre konkreten Vorschläge. Denn für ein wohligwarmes Heimatgefühl bieten sich ein Verfassungspatriotismus, die Währungsunion der EU oder gar die Weltgemeinschaft nicht an, zu abstrakt sind ihre – wenn auch erstrebenswerten – Leitsterne für eine Zivilgesellschaft.

Altdeutsche Mythen, Volksgemeinschaften, gar Rassen haben ausgedient, regionale Identitäten, Communities, Familien und Freundeskreise bieten nur teilweise die tiefen Vertrauensgemeinschaften, die im Wort Heimat mitschwingen. Thea Dorn vermutet deshalb: Heimat ist eher ein sinnlicher Begriff, eine Liebe zur Landschaft, in der man groß geworden ist.

Ein abhakbarer Katalog verehrungswürdiger Dinge, Werte oder Institutionen, etwa wie in „Die deutsche Seele“ entsteht im Buch weniger. Eher fegt Dorn dankbarerweise viele Scheinargumente aus der Patriotismus-Debatte vom Tisch.

Eine deutsche Identität müsse es geben, warum sonst sie nicht, aber gerne eine italienische? Oft leitet sie den Leser mit solchen listigen sokratischen Fragen an. Die Möglichkeit einer deutschen Identität zu leugnen hieße, Einwanderer in einem kulturellen Niemandsland zu begrüßen. Und die postmodernen Verleugner eines „Selbst“ seien meist ziemlich geil auf die Selbstverwirklichung. Überhaupt könne man nicht eine deutsche Identität leugnen, dann aber ständig vor einer gefährlich-untergründigen, militaristischen Deutschland-DNA reden. „Leitkultur“ entlarvt sie als wabbeligen Begriff, eigentlich meine man „Leitzivilität“: Demokratie- und Rechtsstandards.

Beachtlich ist, wie Thea Dorn sich gegen die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten des linksliberalen Milieus wendet. Sie ruft selbst diskriminierte Minderheiten zu mehr Geduld und verbaler Abrüstung auf. Entnervt zeigt sie sich von den Sprachmonstern der political correctness und schlägt frech vor, Homo-/Bi-/Inter- und Transsexuelle abzukürzen als: HoBITs. Dorn traut sich was, und zeigt damit selbst einen weiteren zentralen Bestandteil ihres Begriffs von Deutschsein: Mut zum Dissens und: Opferbereitschaft als echten Einsatz für die Demokratie.

Leider kommentiert und kritisiert Dorn manchmal jede ihrer Quellen und positioniert sich bei jedem denkbar benachbarten Thema: von der Großen Koalition bis zu Tierrechten. Das spricht zwar für Dorns weltgeist-großen Horizont, aber nicht für ihren Willen zur Pointiertheit. Um den fatalen deutschen Militarismus in die Mottenkiste zur verbannen, muss man ihn heutzutage nicht mehr langwierig nacherzählen. Und allein die Widmung im Buch vorne will ein bisschen übereifrig fast alle bunten Bevölkerungsgruppen streicheln.

Der Begriff von deutscher Kultur bleibt am Ende notwendigerweise etwas vage – gerade weil Dorn ihn komplex, niveauvoll, dissens-orientiert halten möchte. Wo sie konkret wird, schwärmt sie von der Oper als übergreifender, ergreifender, komplexer Kunstform. Damit stellt sie natürlich einen ordentlichen Weinkrug voller Bildungsbürgertum auf den Rednertisch, mit dem sich viele Bevölkerungsgruppen hierzulande nicht unbedingt anfreunden werden. Sie dürfen Dorn zu Recht fragen, warum sie schon 2011 „Bierdurst“ als deutsch lobte, heute aber „Bundesliga“ und „Tatort“ zu trivial findet. Und ob ein jeder Wagner-Opern und Homer-Schulstunden verdauen kann.

Gewandt, belesen, keck, aber bisweilen unkonkret und mit einigen Längen, aber trotzdem lesenwert.

Thea Dorn: Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten. Das Buch ist bei Knaus erschienen. 336 Seiten kosten 24 Euro.